Starrer Antrieb für den runden Tritt
In den Anfangsjahren des Kettenantriebes bei Fahrrädern hatten alle einen starren Gang (fixed). Auf der Radrennbahn ist der starre Gang bis heute Standard. Bei 1000 Meter Zeitfahren mit still stehenden Start wurde bis 1982 nur mit einer Übersetzung gestartet. Das Anfahren mit einer hohen Übersetzung - für die Endgeschwindigkeit gedacht - war keine optimale Lösung für den Start. Das Starten verlangte eine kleinere Übersetzung. Auf Grund dieser Überlegung wurde ein neues Konzept mit zwei Ketten entwickelt. Die rechte Seite bekam ein Übersetzungsverhältnis, das für das Anfahren nach dem Start geeignet war. Die auf der linken Seite angebrachte Übersetzung ist der Endgeschwindigkeit angepasst. Die linksseitige Übersetzung ist demnach größer als die rechte. Das linksseitige Ritzel ist auf dem Gewinde der Nabe ganz nach rechts aufgeschraubt. Sobald sich das Hinterrad nach dem Start anfängt zu drehen, beginnt sich auch das Ritzel auf dem Gewinde der Nabe zu drehen. Auf Grund der der linken höheren Übersetzung dreht sich das Ritzel auf dem Gewinde nach Außen. Wenn das Ritzel den Konterring des Linksgewindes erreicht hat, schraubt sich das Ritzel gegen den Konterring fest. Von dieser Position aus treibt von jetzt an die linksseitige Kette das Fahrrad mit einer höheren Übersetzung an - der zweite Gang ist eingeschaltet. Nach wie vielen Metern vom Start aus die höhere Übersetzung wirken soll wird vom rechten zum linken Übersetzungsverhältniss bestimmt. Zusätzlich bestimmt die Position des linken Ritzels auf dem Nabengewinde wann die höhere Übersetzung greifen soll. Die rechte Kettenseite ist mit einem Freilauf bestückt. Die Schwierigkeit des Konzepts besteht hauptsächlich darin, die Übersetzung auf der rechten (Anfahrts-)seite zu finden. Kettenblätter wechseln, Ketten kürzen und die richtige Kettenspannung herstellen, sind zeitraubende Probleme. Für die Wahl der Anfahrübersetzung gibt es (je nach verbauter Gangschaltung) rechts 10 Übersetzungsmöglichkeiten um eine vorteilhafte Übersetzung zu finden. Wenn man die für sich passenden Anfahrübersetzung gefunden hat, kann man die Gangschaltung demontieren und das entsprechende Übersetzungverhältnis montieren. Die linke Übersetzung für die Höchstgeschwindigkeit erfordert keine Experimente - diese ist den meisten versierten Bahnradfahrern bekannt..
Praktische Anwendung
Das System wurde auch im Deutschen Bahnradsport z.B. von Lothar Thoms eingesetzt und ein kanadischer Radfahrer fuhr mit diesem Konzept bei einer Bahn-Weltmeisterschaft.
Das Fahrrad auf dem Bild links sieht so aus wie das Fahrrad für die 1000 Meter auf der Bahn mit zwei Ketten. Es ist aber für ganz andere Aufgaben gedacht. Dieses Fahrrad hat starren Gang wie ein Fixie. Rechter sowie linker Antrieb haben die gleiche Übersetzung. Rechts und links ist im Antrieb ca. 20° Spiel vorhanden. Der Kettenantrieb reagiert mit einem Klickgeräusch, wenn der Antrieb von negativer Beschleunigung der Kurbeln auf positive Beschleunigung oder umgekehrt umschaltet. Daher rührt der Name Rundtrittindicator mit click control (Abkürzung RC3). Das RC3 kann nicht mit frei am Markt erhältlichen Teilen aufgebaut werden. Dieter Herbert, der Erfinder und Konstrukteur der beiden Fahrräder, ist Teilehersteller für die notwendigen Einzelteile des Antriebs.
Das RC3 Prinzip kann auch bei Naben mit einem Freilauf angewendet werden. Das ganze System ist vor allem daher praxistauglich, weil man es nicht nur auf der Bahn sondern auch im Freien wie ein "normales" Fahrrad z.B. im Wiegetritt bergauf betreiben kann. Mit dem RC3 kann ohne Gefahr gespurtet werden, da es nicht möglich ist, wie bei PowerCranks eine der beiden Kurbeln versehentlich im Spurt rückwärts zu treten. Dabei könnte man aus den Pedalen rutschen und schwer stürzen. Eine Verrigelung wie bei SmartCranks (eine Variante der PowerCranks) bei der die Entriegelung der beiden Kurbeln klemmen kann, ist bei RC3 ist nicht vorhanden, weil die Kurbeln fix im 180° Winkel zueinander stehen und ein Spiel von ca. 20° vorhanden ist.
Mögliche Befürchtungen über Kurzlebigkeit des Systems lassen sich leicht aus der Welt schaffen. Hochwertige Naben sind aus Aluminium gefertigt und dementsprechend haltbar. Ob nun der Radsportler täglich den Antrieb ändert, um für seine Trainingsreize die richtige Übersetzung zu finden oder den "zweiten Gang" nach einer gewissen Fahrstrecke automatisch zuschaltet hat auf einen möglichen Verschleiß keinen großen Einfluss. Beim Anfahren liegt das höchste Drehmoment auf der rechten Antriebsseite (bis zu 3000 Watt). Bei höherer Drehzahl der Kurbeln nimmt das Drehmoment ständig ab. Mit Zuschalten des linken Gangs wird dann nur noch die Höchstgeschwindigkeit gehalten. Das links liegende Gewinde der Nabe wird beim Zuschalten des zweiten Ganges dann mit deutlich weniger Drehmoment belastet. Sollte das Gewinde auf der linken Seite der Nabe die Belastung von maximal 500 Watt nicht aushalten, dann hat man vermutlich eine sehr billige Nabe verwendet, die auch einen Dauerbetrieb beim "normalen" Kettenantrieb nicht lange aushalten würde. Dem Erfinder sind keine Klagen bzgl. Kurzlebigkeit im Dauerbetrieb bekannt.
Quelle
Dieter Herbert, Erfinder des Doppelkettentriebs und des Rundtrittindikators "Rundtrittindicator mit click control" (RC3)